Interview mit Janis Goldschmitt, Facilitator, Transformations-Experte und Mitglied der Stuttgarter Improvisationstheater-Gruppe “Kanonenfutter” (Website Janis Goldschmitt / Linked-In-Profil Janis Goldschmitt).
Simon Stäuber: Herzlich willkommen Janis – schön, dass du da bist! Wir starten gleich mal rein - was machst du?
Janis Goldschmitt: Zum einen spiele ich seit langer Zeit Improvisationstheater. Das ist eine Form des Theaters, das komplett spontan aus dem Moment heraus entsteht. Ich nutze Methoden und Ansätze, Gedankenmodelle aus der Improvisation und übertrage sie auf verschiedene Business-Situationen, dieses Feld heißt dann “angewandte Improvisation”. Ansonsten bin ich buchbar als Facilitator in verschiedenen Variationen.
Simon: Ich habe bei dir auf der Website geschaut, da gibt es ja die verschiedensten Ausprägungen des Facilitators: Du sagst, als Faciliator bist du Inspirator, Motivator, und vieles mehr. Was bedeutet der Begriff “Facilitator” genau für dich?
Janis: Mit dem Facilitator hat es auf sich, dass ich am Anfang überlegt habe, was bin ich denn eigentlich? Also wenn Leute auf mich zukommen und mich anfragen für Projekte oder Vorhaben, dann ist oft die Frage, für was kann man mich da buchen, und ich habe festgestellt, dass der Begriff “Moderation” irgendwie zu weit gefasst ist. Für mich ist der Begriff “Facilitation” größer, weil ich das zum Beispiel ausbaue mit erlebnisbasierten Übungen. Soll heißen, es geht um die Erlebnisse, die Menschen in diesen Workshops haben. Die Frage ist dann: Welches Erleben hab ich als Teilnehmender in einem Workshop, und wie kann ich als Facilitator dieses Erleben gestalten? Denn darum geht es mir, dieses Erleben zu gestalten.
Simon: Du bist Teil des Ensembles beim Impro-Theater Kanonenfutter. Wie läuft dabei eine Probe ab? Studiert ihr auch Rollen ein wie sonst im Schauspiel?
Janis: Das ist tatsächlich eine häufige Frage. Kann man Impro eigentlich trainieren? Die Kurzantwort: Ja. Wir haben mittlerweile sogar ein komplettes Kurssystem aufgebaut. Jetzt zu der Frage, was macht man da eigentlich: Letztendlich geht es darum, wie man gute Antworten auf die Frage findet “Was passiert als nächstes?” Also, das ist ja quasi im Leben immer die Frage, auch in unserem Gespräch beispielsweise improvisieren wir gerade. Das heißt, es ist nicht klar, was ich jetzt als nächsten Satz sage, ich habe kein Blatt mit Text vor mir, sondern wir gehen aufeinander ein. Das heißt, Improvisation ist das, was, was wir im täglichen Leben total häufig tun, und die Frage ist, wie kann man das noch besser machen? Und da gibt es verschiedene Haltungen, Methoden, die man anwenden kann.
Wie das Improvisieren-Üben beim besseren Change Management hilft
Simon: Okay, spannend, das ganze klingt für mich auch nach einem Art Training in Schlagfertigkeit, das man im Beruf gut einsetzen kann. Wie wendest du Impro in einem Workshop an, in dem es zum Beispiel um Teamarbeit geht?
Janis: Ganz unterschiedlich und eigentlich nie über einen Kamm geschert. Also, ich höre mir als erstes an, was versucht das Team eigentlich anders zu machen. Welches Bild von der Zukunft bringt ein Team mit? Dann schaue ich, welche Prinzipien aus dem Impro könnten da helfen. Geht es zum Beispiel in Richtung Führung? Impro hat ja ganz viel mit geteilter Führung zu tun. Anders als das klassische Theater, wo ein Regisseur, eine Regisseurin eine Idee hat und es klare Rollen und Anweisungen gibt. Viele Teams haben gerade die Herausforderung, dass dieses Bild einfach wegbricht. Also das heißt, es gibt nicht mehr die eine Person, die einfach mit 20 oder 30 Jahren Erfahrung sagen kann, ist doch total klar, was wir machen. Zum Beispiel in vielen Startup-Teams, da gibt es diese Person einfach nicht. Das heißt, die müssen andere Lösungen dafür finden, und da hat letztlich Impro genau ähnliche Herausforderungen. Wir starten mit einer grundsätzlichen Inspiration und probieren damit dann Schritt für Schritt, Baustein für Baustein etwas gemeinsam zusammenzubauen. Und da ist das Schöne: Impro bringt genau die Übungen mit, die dafür nützlich sind – einfach weil man ja nichts anderes üben kann beim Impro-Theater als “Mit welcher Haltung gehen wir diese Probleme an und mit welchen Methoden?”
Der unterschätzteste Faktor beim Story-Telling
Simon: Du bist ja auch Experte für Storytelling. Was macht eine gelungene Geschichte aus, die nicht irgendwie aufgesetzt klingt, sondern die ich tatsächlich auch gut verwenden kann, wenn ich zum Beispiel eine Präsentation halte?
Janis: Ich glaube, ein Punkt ist überhaupt, Storytelling in Präsentationen zu verwenden. Storytelling ist sicherlich ein Thema, das auch bekannt ist und auch viele Konzepte davon sind irgendwie bekannt. Wenn jedoch Leute Storytelling-Seminare besuchen, dann denken sie häufig, dass zum Beispiel von einer Präsentation, die vorher 100 Prozent Sachinhalt hatte, jetzt plötzlich 40 oder 50 Prozent Storytelling sind. Wenn man beispielsweise ein Buch schreibt oder einen Film erzählt, dann sind es natürlich 100 Prozent Storytelling. Ich würde aber sagen, in einer Business-Präsentation sind es im Idealfall so etwa 5 Prozent Storytelling und 95 Prozent Sachinhalt. Häufig ist Storytelling zum Beispiel gut um einfach kurz so eine Art Bild zu malen, warum etwas wichtig ist. Beispiel: Einführung eines neuen Buchungssystems. Stellen wir uns mal eine Person vor, wir nehmen mal Martin, und der sitzt gerade im Homeoffice alleine vor dem Rechner, probiert, eine Reise zu buchen, und er ist verzweifelt. Dann zeigst du das alte System und dann zeigst du irgendwann, wie das neue System ist und es kann alles auf die Inhalte gehen, ohne weiteres Storytelling.
Das mächtigste Storytelling-Format
Simon: Welches ist das mächtigste Storytelling-Format?
Janis: Das ist das, was wohl jeder von Geschichten wie der Herr der Ringe oder König der Löwen kennt: Die Heldenreise. Es gibt einen Held, der hat ein Problem. Dann sagt der Held immer erst einmal “Nein, das kann ich gar nicht. Das Abenteuer ist viel zu groß für mich.” Dann kommt irgendjemand um die Ecke und sagt: “Wir schaffen das zusammen!”, und dann geht man auf die Reise. Da gibt es dann sehr viele verschiedene Hindernisse, an denen man lernt, bis der Held dann am Ende alleine eins zu eins gegenüber dem Bösewicht steht und dann natürlich in dem epischen Kampf hoffentlich gewinnt und am Ende mit der Belohnung zurück in die alte Welt kommt. Für alle, die das Prinzip “Heldenreise” lernen wollen, empfehle ich: Am besten irgendwann mal googeln nach dem Prinzip, sich das Prinzip ausdrucken und dann damit als Notiz einen Disney-Film angucken.
Simon: Das ist ein schönes Bild für den Schluss – Janis, ich danke dir sehr für das Interview!
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